Als ich Mitte der neunziger Jahre den Neuromancer gelesen habe, war das geradezu ein Erlebnis. Johnny Mnemonic war gerade im Kino, es war Aufbruchszeit im Internet: das WWW war erfunden, die ersten Browser waren da, Chatdienste kamen auf und dann kommt da ein Buch daher, das von seiner Art her ganz anders ist. Nicht einfach nur Science Fiction, sondern man merkte, da kann noch etwas anderes daraus entstehen. War auch so: der Cyberpunk war geboren.
Wobei wir abgesehen von diesem einen Buch gar nicht viel davon kannten. Wir wussten nicht einmal, dass der Neuromancer nur der erste Teil einer Trilogie war. Aber auch das machte einen Teil der Faszination aus: das war vieles offen, da haben manche Stücke nicht zusammengepasst. Das musste wohl an diesem Cyberzeugs liegen. Wie toll.
Nun, über zwanzig Jahre später, kommt ein neuer Roman von William Gibson auf den Markt und zur Vorbereitung wollte ich den Neuromancer noch einmal lesen. Und habe erst dabei festgestellt, dass es da ja noch zwei weitere Bücher gibt. Und das sind dann auch die, durch welche die losen Enden zusammen kommen. Endgültig klar, was wie zusammenhängt, wird erst, wenn man sich bis zum Ende des dritten Teils durchgelesen hat.
Bzw. durchgebissen, denn so komplett faszinierend wie vor zwanzig Jahren fand ich das nicht mehr. Dafür gab es in der Zwischenzeit zu viele Bücher und vor allem Filme, die sich mit dem Thema virtueller Raum, Vernetzung, Cyberirgendwas beschäftigt haben.
Aber gelohnt hat es sich trotzdem, vor allem, weil ich einen Teil meines Halbwissens aufräumen konnte. Das fängt damit an, wie die Trilogie hier vermarktet wird: Neuromancer Trilogie. Klingt toll, ist aber Unsinn, denn der Neuromancer tritt nur in wenigen Punkten in Erscheinung. Der englische Titel Sprawl Series trifft es weitaus besser, denn dort, in einer wuchernden Megapolis aus mehreren früher einzelnen Städten, findet ein großer Teil der Handlung statt. Das dort ist Cyberpunk, fast alles an anderen Orten ist einfach nur ein Abenteuerroman.
Neuromancer, Countzero, Mona Lisa Overdrive – die drei Romane insgesamt machen durchaus etwas her, auch heute noch. Aber das Genre hat sich so weiter entwickelt, dass sie nicht mehr notwendigerweise gelesen werden müssen. Die Faszination war für mich nicht mehr so spürbar, dazu habe ich selbst zu viel anderes gesehen.
Eins war aber doch noch modern für mich: es waren meine ersten Bücher, die ich auf einem eBook Reader gelesen habe. The future is now.