Die Besten Bars der Welt?

Alle Jahre wieder kommen sie heraus, die Listen über die besten Bars der Welt. Was es so gibt und was man zu sehen hat und welche die allerallerbeste ist und wie toll es doch da und dort ist und wie superduper das Barteam und der Host erst mal und ja ok, Drinks gibts auch noch wenns denn sein muss.
Und als Leser muss man sich dann immer fragen: haben die eigentlich recht? Passt das denn wirklich? Sind die so gut oder ist das persönlicher Geschmack oder nur reine Werbung? Immerhin, zehn der Top-20 Bars bei den World’s 50 Best Bars habe ich in den letzten zwei Jahren besucht und ich bin nicht immer einverstanden mit den Bewertungen.

Die Listen

Ob nun die World’s 50 Best Bar, Mixology Bar Wards, Tales of the Cocktail Spirited Awards  – alle sind sich sicher, DIE Liste der Besten Bars zu bieten. Aber ist das auch so? Wohl eher nicht, denn dazu sind die Einschätzungen viel zu subjektiv. Es sind sicher meist keine schlechten Bars und Personen auf den Listen, aber alle unter den Begriff Barfly passenden Leute hätten sicher an vielen Stellen etwas anders gewertet.

Letztlich sind derartige Listen natürlich vor allem für zwei Dinge da: einmal wird dadurch gezeigt, dass der Veranstalter natürlich sehr wichtig ist. Und dann natürlich für die gelisteten Bars, denn das lässt sich ja durchaus marketingseitig ausschlachten. Ob das dann so weit gehen muss, dass man ein großes Banner „Best Bar 2016“ über die Haustüre nagelt, wie das seinerzeit das „The Dead Rabbit“ gemacht hat, ist eine Frage des Stils. Aber dass eine Nominierung oder gar ein Award über die sozialen Medien breitgetreten wird, ist natürlich schon Standard. So ein bisschen stolz drauf sein darf man ja als Betreiber durchaus.

Die Abstimmungen

Wobei sich schon hinterfragen lässt, ob diese Listen denn tatsächlich so unvoreingenommen sind, wie sie immer selbst von sich behaupten. Immerhin kommen alle zu unterschiedlichen Ergebnissen, das muss doch auch einen Grund haben.
Neben dem persönlichen Geschmack der Juroren (eine objektive Bewertungsskala gibt es so nicht) sind es auch die unterschiedlichen Kategorien, die ausgezeichnet werden. Aber selbst, wenn alle die gleichen Kategorien hätten, wäre es für die Juroren schwer, alle Bars gleichwertig zu beurteilen. Sie können schlicht nicht alle Bars kennen, weshalb z.B. World’s 50 Best Bars jedem der 510 Juroren sieben Stimmen gibt, die zu verteilen sind, davon drei auf Bars in anderen Ländern. Klar, dass dadurch eine Fokussierung auf die bekannteren Bars stattfindet.

Das erklärt auch einen der Gründe, weshalb so viele der ausgezeichneten Bars in New York oder London zu finden sind. Natürlich, da sitzt erst einmal genügend Geld, die Städte sind auch groß genug für viele gute Bars. Aber dort sitzen eben auch viele von denen, die selbst abstimmen und die ihre Stimmen eher im eigenen Vorgarten verteilen, als anderswo.

Und es ist natürlich auch so: gleich und gleich gesellt sich gern. Dass ein Barkeeper eher eine Bar bevorzugt, die ihm nahesteht, ist klar. Und er wird dort auch entsprechend willkommen geheißen, anders als ein normaler Gast. Die Frage, ob man auch in der Industry tätig sei, gehört langsam zum Standardrepertoire eines Bartenders. Entsprechend ist die Erfahrung, die ein Juror in einer Bar macht auch gerne einmal eine andere als die eines normalen Gastes.

Die nicht-Ausgezeichneten

Unterhält man sich in den nicht ausgezeichneten Bars etwas mit dem jeweiligen Team, wird gerne der Verdacht geäußert, eine Bar die eine Listung haben wolle müsse eben durch die spritproduzierende Industrie unterstützt werden, sonst würde man da ja wohl andere Bars auf der Liste sehen. Heißt andersherum: eine Bar ohne Unterstützung durch große Marken käme ihrer Meinung nach nicht auf eine der Top Listen.
Dass eine Bar, die sich dadurch ein gutes Marketingbudget leisten kann und auch flankierende Maßnahmen durch die Hersteller erhält, sicher einen Vorteil hat ist nachvollziehbar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn es muss dann auch die Frage im Raum stehen dürfen, warum bestimmte andere Bars es überhaupt auf eine Liste hätten schaffen sollen. Und die Antworten sind dann doch eher mager, so viele Gründe gibt es dann wohl doch nicht.

Was den Kandidaten hierbei manchmal zu fehlen scheint ist ein ausreichendes Maß an Selbstkritik und Realismus. Es gibt viele Bars mit schönen Ideen, guten Drinks, sogar richtig gut gemixten Drinks, die ich trotzdem nicht auf eine Liste der besten Bars setzen würde. Denn es hapert diesen Bars meist an einem: an gutem Personal. Nicht, dass die nicht Bescheid wüssten, wie welcher Drink zu mixen ist. Es ist viel mehr vor allem die Frage, welchen Eindruck die Beteiligten hinterlassen. Und in vielen Bars gibt es eine gewisse Abgehobenheit oder gar Überheblichkeit, die aus einer Fehleinschätzung über die eigene Wirkung resultiert.
Was vielen dabei fehlt ist das Understatement, das die Glaubwürdigkeit liefert, die mir als Gast das Gefühl gibt, bei Enthusiasten zu sein. Bei den Bars die ich als meine Lieblingsbars ansehe, ist dies immer der Fall. Ich habe immer den Eindruck bekommen, bei Überzeugungstätern zu sein, denen es immer um den nächsten Drink geht und wie dieser ideal zu bauen ist.

Der Nutzen der Listen

Von daher sind die meisten Listen gar nicht so falsch, wenn auch aus meiner persönlichen Sicht heraus eben nicht so ganz richtig. Sie sind nicht vollständig und auch nicht perfekt, aber immerhin ein Anhaltspunkt. Diese ganzen Listen nutze ich selbst vor allem dann, wenn es darum geht, mich über die Bars an einem Reiseziel zu informieren. Wobei mir durchaus klar ist, dass eine Top Bewertung in einer Bestenliste nicht unbedingt auch heißt, dass mir die Bar gefällt. Aber es ist ein erster Ansatz, welche Lokalität evtl. besucht werden sollte.

Bewertung der Bewertung

Dass ich an manchen Stellen anders werten würde, ist schon klar. Die genaue Reihenfolge ist ja auch ziemlich geschenkt (zumindest für mich als Gast). Und ich verstehe auch, dass ein Dandelyan, eine Mannhattan Bar und auch noch eine abgehobene Connaught Bar hoch bewertet werden. Eine Bar Termini würde ich aber niemals so weit oben sehen, wie einige Juroren. Dazu ist mir das zu speziell und zu künstlich auf Retro gemacht (also genau das, weshalb die Bar von anderen hoch geranked wurde). Ich freue mich darüber, dass eine Native Bar in Singapur innerhalb kurzer Zeit so einen Erfolg hat und auch dass das Attaboy wieder relativ weit oben gelandet ist (ja, ist nicht für jeden was, aber für mich eben DIE Bar!).

Eine gute Platzierung der Oriole Bar wiederum kann ich nicht nachvollziehen, dazu ist da zu viel Chichi um den Inhalt gewickelt, dafür hätte ich das Coupette sicher weiter nach vorne geschoben. Operation Dagger ist nach wie vor nicht mein Fall und während das Tales & Spirits aus Amsterdam auf der Liste erscheint fehlt das tolle Flying Dutchman Cocktails komplett. Shame.

Ich würde die 28 Hong Kong Street nach vorne schieben und auch ein Happiness Forgets, dafür dürfte dann ein sehr kommerzialisiertes BlackTail mit seinem Ananassoda aus der Dose nicht als besonders gut erscheinen.

Viele andere gehen natürlich in Ordnung, zumindest solange, wie ich sie noch nicht kenne. Aber das kommt bei der einen oder anderen Bar schon noch. Zehn der Top-20 kenne ich nun schon, von den Top 50 ist es knapp die Hälfte.
Mal schauen, wann da noch andere dazu kommen.

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